Freiburger Museum für Neue Kunst
August Macke: Wenn Bilder erzählen
Das Freiburger Museum für Neue Kunst zeigt "August Macke. Ganz privat". Die Werke aus dem
Besitz der Familie Macke erzählen viel darüber, dass Leben und Arbeiten für ihn eine Einheit
waren.
(Abstraktes Muster auf einem Kissen, vor 1914 Foto: Museum
Kirche in Kandern, 1911 Foto:Katalog)
Nicht was man kennt, findet man hier. Nichts von den Bildern August Mackes, von denen Enkel Til
im Katalogbuch erzählt. An den Wänden der Bonner Wohnung der Familie von Macke-Sohn Wolfgang
hingen "Sonniger Weg", "Modegeschäft", "Zwei Mädchen im Walde"... Doch: "Mein Vater gab sehr
viele Werke in Museen", erinnert sich Til.
Was der Familie blieb
Die Ausstellung im Freiburger Museum für Neue Kunst, die aus Stade kommt und anschliessend nach
Bonn geht, zeigt den Maler August Macke nun im Spiegel dessen, was noch im Besitz der Familie
blieb. Keine Hauptwerke - und doch viel Farbiges: in einer dichten Erzählfolge Bilder von Leben
und Arbeit des Malers. Und es wird in der angemessen intimen Schau deutlich, dass dies bei ihm
denn gar nicht anders als zusammen gesehen werden kann. Macke beschreibt, was ihm lieb und
wichtig war. Die Familie war für ihn stets ein Motivkreis, mit Elisabeth im Zentrum, der
Freundin und Ehefrau, und den Kindern. Der Maler war Familienmensch - und der personifizierte
Arbeitsfleiss. Von beidem ist viel zu sehen.
Schauen, schauen, schauen
Zu sehen ist ein junger Mann, der schaut und schaut. Immer, als wäre Eile. Die Schule war ihm
schon im Weg dabei, er gab sie auf, wie dann schnell die Akademie auch. Bühnenbildner hätte er
werden können in Düsseldorf. Er wollte sich nicht binden. Aber für die schöne Elisabeth
Gerhardt war schon der Bonner Schüler entschieden. Als Macke starb, früh im Krieg, 1914, war er
27. Sie ein Jahr jünger. Sie hat ihre Erinnerungen aufgeschrieben, für ihre Kinder. Doch ihre
Stimme ist jedem, der sich mit dem Maler befasst, wohlvertraut. Ihr Porträt in der Ausstellung
gleich vielfach gegenwärtig. Macke hat sie gezeichnet und gemalt, beim Lesen, bei der
Handarbeit oder schlafend. Elisabeth ist auch die "Frau mit roter Schürze auf Balkon". Wenn man
ihr Haar sieht, diesen Haarhelm, muss man an den Bildhauer Maillol denken, der nach solchen
Formen suchte. Die Farbe der Bildskizze, die Elisabeth auf dem Balkon zeigt, lässt den
Koloristen Macke erkennen und die Strahlkraft von Henri Matisse.
August Macke, einer der bedeutendsten Expressionisten und Mitglied des Künstlerbunds "Der
blaue Reiter", ist Mittelpunkt einer Ausstellung, die nun im Freiburger Museum für Neue Kunst
zu sehen ist. Hier geht es nicht um die bedeutendsten Werke des Künstlers, sondern um Macke
ganz privat.
Tegernsee, wo das Bild 1910 entstand, war ja München nah, mit seiner Kunstszene, seinen
Ausstellungen. Da sah Macke auch die Kunst der Neuen Künstlervereinigung, deren Protagonisten
er später unterm Zeichen des Blauen Reiter begegnete. Zu Franz Marc entstand schon gleich eine
Freundschaft. Den Familienvater Macke aber - in Tegernsee kam Söhnchen Walter zur Welt - zog es
zurück ins Rheinland. Wieder in Bonn, entwickelte er kunstpolitische Aktivitäten, als
Ausstellungsmacher und Propagandist des Neuen. Das lebensfrohe "Kindergesicht" (so sah ihn Paul
Klee) hatte Ellenbogen, wenn es um die Kunst ging.
Faden wird wieder aufgenommen
Auch als er 1911 wieder einmal in Kandern ist, im Markgräflerland, wo die Schwester Auguste als
Gattin des Kronenwirts lebt, die Mutter Macke zudem, arbeitet er kräftig. Für die Expansion des
Schönen scheint ihm ein Ausflug zu den heimischen Bauerntöpfern fruchtbar. Mit "Macke in
Kandern" nimmt die Ausstellung einen Faden auf, der hier im Freiburger Museum vor Jahren schon
in einer Themenschau gesponnen wurde. 1907 war der Zwanzigjährige von Kandern erstmals nach
Paris aufgebrochen. Ein Wendepunkt. Skizzen bezeugen seine Ankunft in der Stadt der Kunst. Die
Bindung zum Impressionismus wird sich bis zum Schluss nicht lösen: Die Bedeutung von
Augeneindruck und Sonnenlicht, was immer auf ihn Einfluss nimmt, die bleibt.
1911 malt er die Kirche in Kandern; in Büschen und Bäumen wirkt eine Zeichenkraft, die an
Arbeiten der Münchner Jawlensky und Münter um 1910 denken lässt. Doch ist die Architektur
ausgesprochen körperhaft gesehn, so wie auf dem grösseren Kanderner Kirchenbild, das in der
Sammlung des Freiburger Museums ist. Macke - der "August VonderFarbe", wie Marc frotzelt -
entwickelt Bilder als farbige Flächengefüge, probt abstrakte Formen der Bildrhythmik. Und
besteht doch immer wieder auf der plastischen Präsenz der Form. Der nackte menschliche Körper
regt sein Denken an, inspiriert ihn gar zur skulpturalen Gestaltung.
Mehr als eine flüchtige Idee
Und deutlich wird eben, dass er sich durchaus nicht aufs Tafelbild fixiert, dass er darüber
hinaus will - einen kunstgewerblich erweiterten Arbeitsrahmen sucht, um Kunst im alltäglichen
Leben zu etablieren. Er sieht sich als ästhetischen Reformer im Sinne des Deutschen Werkbunds.
Seine Kanderner Allianz mit den Töpfern war mehr als eine flüchtige Idee. In Bonn arbeitet er
intensiv keramisch, betätigt sich als Möbelschnitzer, zeichnet fleissig Stickvorlagen für
Elisabeth, für Mutter Gerhardt und Grossmutter - und kreiert engagiert Teppichdesign. Die
Schmuckform, die Arabeske, ist ihm nicht suspekt, wie sie es dem Mitstreiter an der Kunstfront
Wassily Kandinsky war. Die grosse Ausstellung islamischer Kunst in München 1910 wirkt bei ihm
stärker als bei jedem andern. Seine Bildvision des Schönen färbt sich gern mal
orientalisch.
Macke arbeitet an einem Bildnis des Lebens als ewiger Sonntag. "Die Kunst ist das Leben",
schreibt er in einem Brief an Elisabeths "Onkel Bernhard" Koehler, den Sammler und Mäzen.
Lebendig sollte sie sein, die Kunst. Daseinsfeier. Und für den ein Glück, der sie macht.
"Schaffen von Form heisst: leben." Eine Definition von nicht-entfremdeter Arbeit ist das: Sie
ist in dem Aufsatz zu finden, den Macke zum Almanach "Der Blaue Reiter" beisteuerte, den "Onkel
Bernhard" sponserte. 1911 war August von Kandern nach Oberbayern gefahren, um mit Kandinsky und
Marc die Programmschrift auf den Weg zu bringen.
Kunst ist Leben
Sein Textbeitrag lässt Kunst nicht anders denn als Lebensäusserung verstehen. "Der Mensch
äussert sein Leben in Formen", ist ein echt expressionistisches Bekenntnis. "Lebendige Farbe"
suche er, sagt Macke auch. Und er stellt, wie Elisabeth erzählt, in dem langen sonnigen Herbst
1913 in Hilterfingen am Thunersee, um zu sehen wie sie sich behaupten, die neuen Bilder nach
draussen in den Garten, in die leuchtende Natur. "Sie verblassten keineswegs", bestätigt
Elisabeth. Sein enthusiastischer Lebensbegriff liess Macke dies harte Mass für den Test
setzen.
Als vitalistischer Bilddenker war er auch misstrauisch gegen jedes künstlerische System.
Unabgeschlossenheit ist eine Qualität seiner Kunst. Nicht ihr Manko, nicht die Konsequenz des
frühen Todes. Nichts ist lebendiger als ein Werk in statu nascendi - gerade diese
Bilderzählung, diese Ausstellung mit den vielen divergierenden Bildnotizen lässt das so sehen.
über Kandinsky, den sie in der Geburtsstunde des Blauen Reiters erlebte, lässt Elisabeth in
Augusts Sinn den durchaus despektierlichen Satz fallen: "Seine Kunst war eine Lehre, eine
Weltanschauung." Das ist die Mackes nun gar nicht. Ein unablässiges, unersättliches Schauen
vielmehr.
Museum für Neue Kunst, Marienstr. 10a, Freiburg. Bis 9. Mai [2010], Dienstag bis Sonntag 10 -
17 Uhr.
aus: Badische Zeitung vom 29.01.2010