Bingerbrück, um die Mitte des 1. Jh. nach Chr.
In einer von einem Baldachin bekrönten Nische steht der Verstorbene mit Tunika und
Soldatenmantel bekleidet. Von seinem zweifach um den Leib geschlungenen, mit Zierblechen
beschlagenen Gürtel hängen in reich verzierten Scheiden rechts das Kurzschwer (gladius), links
der Dolch (pugio). In der Mitte des Gürtels ist ein Schurz aus acht mit Metallplättchen
beschlagenen Riemchen, die in Metallanhängern enden, angebracht. Oben steckt eine rechteckige
Platte. Annaius hält in der rechten Hand zwei Lanzen, mit der Linken greift er in seinen
Schild. An den Füße deuten plastische Leisten die Schnürung der (ehemals aufgemalten)
Soldatenstiefel (caligae) an.
Auf den Schmalseiten außen ist der trauernde Attis - ein phrygischer Vegetationsgott - mit
übergeschlagenem Bein und in die Hand gestütztem Kopf dargestellt. Die Bekrönung des Denkmals
bestand ursprünglich aus einer in der Mitte angebrachten Sphinx, die rechts und links von einem
Löwen flankiert wurde. Sphingen und andere geflügelte Wesen galten als Mächte der
Unterwelt.
ANNAIUS PRAVAI F(ilius) DAVERZUS MIL(es) EX COH(orte) QUARTA DELMATARUM | ANN(orum)TRIGINTA SEX
STIPENDD(iorum) QUINDECIM H(ic) S(itus) E(st) H(eres) P(osuit)
Annaius, Sohn des Pravaius, ein Daverzer. Soldat der Vierten Kohorte der Delmater, 36 Jahre
alt, 15 Dienstjähre, liegt hier begraben, der Erbe hat (den Stein) setzen lassen.
Die Namen deuten auf eine Herkunft des Annaius aus Dalmatien (Ostküste der Adria im heutigen
Kroatien) hin. Aufgrund seines frühen Todes trägt der Verstorbene noch keinen römischen Namen,
da das römische Bürgerrecht ihm erst nach Ableistung seiner regulären Militärzeit (mindestens
20 Jahre) verliehen worden wäre.